Mit dubiosen Geschäften Anleger in den Ruin getrieben
Vier Geschädigte sollen wegen ihrer hoffungslosen
finanziellen Lage Selbstmord begangen haben
von Wilfried Urbe
"Mein eigenes Haus - hier habe ich meine Ruhe.
Finanziert haben wir mit der Badenia-Bausparkasse. Das hat prima geklappt.
Da blieb keine Frage offen. Die Badenia-Bausparkasse." Das war die Werbung
der viertgrößten privaten Bausparkasse in Deutschland in den 90er Jahren.
Die Realität heute hat damit nichts mehr zu tun: Rund 8500 Anleger, die über
gewiefte Vermittler (beispielsweise Heinen & Biege) meist überteuerte
Wohnungen von der Allwo (Konzernschwester von Badenia) erwarben, haben über
die Bausparkasse Badenia finanziert. Viele stehen jetzt am Rande des
wirtschaftlichen Ruins, können die Raten nicht mehr abbezahlen. Vier von
ihnen sollen aus Verzweiflung über die hoffungslose Lage bereits Selbstmord
begangen haben. Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt gegen
Ex-Finanzvorstand Elmar Agostini. Grund: Verdacht auf Betrug und Untreue.
Bundesweit mehr als 300 000 Besitzer wertloser
Immobilien, die sie zur sicheren Altersvorsorge, Ausbildung der Kinder und
zum Steuernsparen von gewieften Vermittlern an der Haustür oder am
Arbeitsplatz aufgeschwatzt bekamen, fühlen sich betrogen. Das schätzt die
Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. Allein die Hypo-Vereinsbank
habe mehr als ein Drittel dieser Geschäfte finanziert, aber auch die
Commerzbank, BfG (heute SEB) Landesbank Baden-Württemberg, Sparkassen,
Volks- und Raiffeisenbanken sowie Bausparkassen hätten kräftig mitverdient.
Geschätzter Gesamtschaden: mindestens 18 Milliarden Euro.
Das Beispiel Badenia ist besonders extrem. Klaus
Schüller jedenfalls ist mit unbändigem Zorn und tiefer Trauer erfüllt. Seine
Tochter nahm sich vor wenigen Wochen das Leben, aus Scham, weil sie keinen
Ausweg mehr aus ihrer finanziellen Misere wußte: "Was die gemacht haben, ist
einfach menschenverachtend." Nur wenige Tage vor ihrem Tod bekam die
28jährige Anja Schüller Post von der Badenia. Da sie die Raten nicht mehr
bezahlen konnte, verlangte die Bausparkasse die komplette Summe von 70 000
Euro auf einen Schlag zurück, zuzüglich zwölf Prozent Zinsen. Die
Lohnpfändung der Krankenschwester war bereits veranlaßt.
Menschen mit geringen Monatseinkommen, meist
zwischen 2300 Mark und 2800 Mark netto ohne Eigenkapital, waren die
Zielgruppe. Ihnen wurden überteuerte Wohnungen verkauft, meist aus Beständen
der "Neuen Heimat". Diese würden sich durch Steuerersparnisse und
Mieteinkünfte quasi von selbst finanzieren.
So kam auch die damals 23jährige Krankenschwester
zu einer minderwertigen Zweizimmerwohnung in einem Plattenbau in Chemnitz.
Die Steuerersparnis blieb aus, die Miteinnahmen unter den Erwartungen und
die Finanzierung war so gestaltet, daß die Belastungen immer höher wurden.
32 Jahre hätte sie abzahlen müssen.
"Die Wohnungen wurden oftmals für fast das Doppelte
ihres Wertes verkauft. Neben den ausgewiesenen hohen Provisionskosten waren
oft noch versteckte Vermittlergebühren im Kaufpreis enthalten, bis zu einem
Drittel des Kaufpreises", moniert Rechtsanwalt Julius Reiter aus Düsseldorf,
der Anja Schüller vertreten hat.
Die Badenia geriet als seriöse Bausparkasse in
Verruf, als festgestellt wurde, daß der ehemalige Finanzvorstand, Elmar
Agostini, engste Beziehungen zur dubiosen Dortmunder Vertriebsfirma Heinen &
Biege (H&B) unterhielt, die allein rund 5200 Wohnungen vermittelte. Der
ehemalige H&B-Geschäftsführer Andreas Mertens hat zugegeben, daß die
Wohnungen lediglich 50 bis 60 Prozent des Kaufpreises wert gewesen seien und
daß nur wenige Banken bei ordnungsgemäßer Prüfung die Wohnungen finanziert
hätten. H&B ist seit 2000 insolvent.