Anja
Schüllers letzter Brief war an ihre geliebten Eltern gerichtet: "Mal
gewinnt man, mal verliert man. Ich habe nicht mehr die Kraft zu kämpfen,
um irgendwann einmal zu gewinnen", schreibt Anja darin und wünscht sich
ein kleines Urnengrab und dass Vater sich mehr um Mutti kümmert.
Die Zukunft ruiniert
1996 zog Anja von Thüringen nach Würzburg. Die Eltern freuten sich, dass
sie im Westen Fuß gefasst hat. Am 13. September 2004 dann ein letztes
Telefonat mit Mutter Heimgart. Ihr sagte Anja, dass sie jetzt ihr Ziel
habe, darauf hinarbeite. Und die Mutter nahm an, die Tochter meinte ihre
Abschlussarbeit. Doch das hatte die 28-jährige Krankenschwester nicht mehr
im Sinn.
Am 17.
September 2004 bekam Heimgart Schüller einen Brief: "Sag Vati, dass er
mich nach Hause holen soll." Ihr Wohnungsschlüssel war daran mit Tesa
befestigt. Als die Eltern kamen, fanden sie Anja tot im Bett, neben sich
eine tödliche Infusion und einen Vollstreckungsbescheid der Badenia über
70.000 Euro. Anja standen Lohnpfändung und Offenbarungseid bevor.
Angedroht von der Badenia, Deutschlands viertgrößter Bausparkasse. Anjas
Arbeitgeber war schon benachrichtigt. Ein dubioses Immobiliengeschäft
hatte ihre Zukunft zerstört.
Teurer
Kredit statt Eigenkapital
Mit einer Immobilie in Chemnitz und mithilfe der
Bausparkasse Badenia wollte sich Anja den Traum von einer sorgenfreien
Zukunft wahrmachen. 1999 wurde der gutgläubigen Krankenschwester eine
Wohnung aufgeschwatzt, mit dem Argument, über Steuerersparnis und Mieten
finanzierten sich die 70.000 Euro quasi von selbst. Anja unterschrieb zwei
Badenia-Bausparverträge über diese Summe. Völlig unüblich, ganz ohne
Eigenkapital. Das wurde durch einen zusätzlichen teuren Kredit ersetzt.
Das
klassische Badenia-Modell, so Christa Arnold von der Staatsanwaltschaft
Mannheim: "Der Verdacht geht dahin, dass qualitativ minderwertiger
Wohnraum, der schwer zu vermarkten war, an einkommensschwache
Bevölkerungsschichten veräußert werden sollte, wobei die Erwerber mit der
wahrheitswidrigen Behauptung, es handle sich um eine besonders günstige
Finanzierung, zum Vertragsabschluss bewogen wurden."
Blauäugige Anleger
Es seien
Fehler gemacht worden, räumt der jetzige Vorstandsvorsitzende der Badenia,
Dietrich Schroeder, ein, doch arrogant schiebt er die Hauptschuld den
Kunden zu: "Da wenden die Leute ein, der Vermittler hat damals gesagt,
brauchst dich darum nicht zu kümmern, brauchst auch kein Geld zu haben,
das regelt sich alles von selber. Und lass 20 Jahre rumgehen, dann gehört
dir die Hütte, und du hast 'ne prima Altersversorgung. Und dann frage ich
mich immer: wer ist so blauäugig, denn wenn das zuträfe, dann kann er sich
die ganze Bundesrepublik kaufen." Über 8000 Badenia-Kunden fielen auf
Schrottimmobilien und ein windiges Finanzierungskonzept herein.
Den
Schaden für die Anleger beziffert die Staatsanwaltschaft auf rund 340
Millionen Euro. Die Allwo-Immobilien lieferte die betagten Wohnungen, die
Badenia sorgte für die Finanzierung. Mit 23 Jahren geriet Anja Schüller in
die Schuldenfalle, aus der sie nicht mehr herauskam. Am Anfang waren die
Raten gering, doch sie stiegen rapide. 300 Euro monatlich musste sie
später für die Wohnung aufbringen, es blieb fast nichts mehr von ihrem
Gehalt übrig. Doch sie wollte nicht aufgeben, nahm sich einen Anwalt.
Geschädigte
demonstrieren
Im
Juni 2004 musste Anja eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Die
Badenia forderte die Zinsrückstände ein. Sie bezahlte nicht. Ihre Anwälte
bemühten sich mit der Badenia um einen Vergleich. Immer wieder vergeblich.
Jetzt plötzlich wirft die Badenia Anjas Anwälten vor, sie hätten das
Verfahren blockiert. Ein absurder Vorwurf, so Gerhart Baum, Anwalt von
Badenia-Geschädigten: "Hier hat die Verzweiflung zum Selbstmord geführt.
Alle Begleitumstände, die wir kennen, weisen darauf hin, dass Anja
Schüller ein Badenia-Opfer ist."